Stuttgart, 29.04.2024 – Anlässlich des 60. Jahrestages des FSJ-Gesetzes machen
Freiwillige, Einsatzstellen und Träger mit einem bundesweiten Aktionstag auf die aktuelle Situation in den Freiwilligendiensten aufmerksam und setzen sich für eine attraktive und sozial gerechte Ausgestaltung der Dienste ein. Das FSJ-Gesetz, das am 29. April 1964 durch den Bundestag beschlossen wurde und dem der Bundesrat im August 1964 zugestimmt hat, legte den Grundstein für das Freiwillige Soziale Jahr. In den letzten Jahrzehnten hat sich das FSJ in Baden-Württemberg mit über 200.000 Absolvent*innen zu einer Erfolgsgeschichte entwickelt. Die im Bundeshaushalt vorgesehenen Kürzungen setzen dem eine hohe Hürde entgegen.
Das FSJ ermöglicht zusammen mit dem Freiwilligen Ökologischen Jahr (FÖJ) und dem Bun-desfreiwilligendienst (BFD) jungen Menschen, sich ein Jahr lang in gemeinwohlorientierten Ein-richtungen zu engagieren, ihre Berufsorientierung zu vertiefen und ihre Persönlichkeit weiterzu-entwickeln. „Vor allem seit der Jahrtausendwende ist das Interesse an einem Freiwilligendienst stetig gewachsen. Heute entscheiden sich in Baden-Württemberg über 10 Prozent aller Schul-abgänger*innen für ein Engagement im sozialen, ökologischen, kulturellen oder sportlichen Be-reich“, berichtet Corinna Mühlhausen, eine der beiden Vorsitzenden des Landesarbeitskreises FSJ in Baden-Württemberg, dem Zusammenschluss von 38 Trägern, die jährlich über 12.000 Freiwillige im FSJ und fast 4.000 Freiwillige im BFD pädagogisch begleiten.
Im Bundeshaushalt 2025 sind für das Freiwillige Soziale Jahr (FSJ) Mittelkürzungen von ca. 30 Prozent und den Bundesfreiwilligendienst (BFD) von mindestens 25 Prozent geplant. In Baden-Württemberg würde sich damit die Zahl der BFD-Plätze von ca. 3.800 auf 2.850 und von 12.000 FSJ-Plätzen auf ca. 8.400 verringern. Davor, die Freiwilligendienste kaputt zu sparen, hat auch der Paritätische Wohlfahrtsverband Baden-Württemberg bereits gewarnt. Eine kurz-fristige negative Auswirkung sehen die Beteiligten darin, dass die Einsatzstellen aus Sorge um die Finanzierung und Kontingente bereits beim Jahrgang 2024/2025 Plätze nicht belegen. „So-lange die Einsatzstellen keine Planungssicherheit über die Refinanzierung haben, wird es für sie schwierig einzuschätzen, ob sie sich Freiwilligenstellen überhaupt noch leisten können“, erklärt Mühlhausen.
Der Freiwilligendienst als Einstieg in Sozialberufe
Der Rückgang der verfügbaren Freiwilligenplätze bedeutet für soziale Einrichtungen den Verlust zusätzlicher Angebote, die das Personal im Alltag aus Zeitgründen oft nicht erfüllen kann. „Das können Gemeinschaftsaktivitäten sein, wie Kochen oder Tanzen oder gestalterische Angebote. Das können auch Betreuungsangebote von einzelnen Personen sein, wie ein Spazier-gang oder ein Spiel zu zweit“, beschreibt Dietrich Hartlieb, ebenfalls im Vorsitz des Landesarbeitskreises FSJ in Baden-Württemberg. „Wir können nicht zulassen, dass diese wertvolle Unterstützung einfach weggekürzt wird, die den verschiedenen Einrichtungen so viel Positives bringt.“ Zudem gilt als belegt, dass rund 70 Prozent der Absolvent*innen sich später einen Beruf in der Sozialbranche vorstellen können. Diesen Zugang zu verstellen, dürfte das bereits bestehende Nachwuchsproblem des Sektors weiter verschärfen.
Für die Freiwilligen selbst würde die Kürzung den Verlust eines Orientierungs- und Bildungsjahres bedeuten, das viel zu ihrer persönlichen Entwicklung beiträgt. „Der Freiwilligendienst bietet jungen Menschen zahlreiche Möglichkeiten, sich auszuprobieren, Verantwortung zu übernehmen und in einem praktischen Kontext neue Kompetenzen zu erwerben“, so Mühlhausen. Für die Ausgestaltung besteht dabei noch einiges an Verbesserungspotenzial, zum Beispiel ein leichterer Zugang zum Wohngeld und ein Bafög für Freiwillige, die kostenlose Nutzung des Nah- und Fernverkehrs, eine höhere Wertschätzung durch die Gesellschaft sowie die Anrechnung des Engagements auf Ausbildung und Studium. Die dafür benötigten Investitionen wären daher angemessener, als eine Kürzung der sowieso knapp bemessenen Fördermittel. „Wir fordern einen Rechtsanspruch auf die öffentliche Förderung für jeden in Deutschland besetzten Freiwilligenplatz“, ergänzt Hartlieb. Damit könnte die Zahl der Freiwilligen mindestens verdoppelt werden und die sozialen Einrichtungen würden nachhaltig entlastet. Bund und Gesellschaft müssen die dauerhafte Finanzierung der Freiwilligendienste sichern.
Pressemitteilung des LAK FSJ Baden-Württemberg