Haushalt 2025 – Der BAK FSJ fordert weiterhin ein Recht auf einen Freiwilligendienst mit einer auskömmlichen Finanzierung statt einer Pflicht
3. Juli 2025Abschlussbericht der „Initiative für einen handlungsfähigen Staat“ enttäuscht in Bezug auf die Freiwilligendienste
15. Juli 2025Das Nachrichtenmagazin Spiegel berichtet am 07.07.2025 Details aus dem Gesetzentwurf für den schon im letzten Jahr angekündigten neuen Wehrdienst. Der Entwurf liegt noch nicht öffentlich vor. Er liegt dem Koalitionspartner und den anderen Ressorts vor und soll Ende August vom Kabinett beschlossen werden. Mit einer Inkraftsetzung ist Anfang 2026 zu rechnen. Wie im Koalitionsvertrag vereinbart, soll der neue Wehrdienst zunächst auf Freiwilligkeit basieren. Er beinhaltet aber bereits eine verpflichtende Komponente: Der künftig an alle ab 2008 geborenen jungen Menschen versandte Fragebogen zu persönlichen Merkmalen und der Bereitschaft, einen Wehrdienst zu absolvieren, muss von jungen Männern verpflichtend ausgefüllt werden. Jungen Frauen hingegen steht die Beantwortung frei.
Der Entwurf aus dem Verteidigungsministerium beinhaltet offensichtlich auch, dass der Bundestag die verpflichtende Heranziehung von Wehrpflichtigen ohne eine weitere Gesetzesänderung veranlassen kann, wenn die verteidigungspolitische Lage dies erfordert. Das hieße in der Konsequenz, dass eine Einberufung möglich ist, wenn die geplanten Maßnahmen zur Attraktivitätssteigerung nicht dazu führen, dass die erforderliche Anzahl von Freiwilligen für die Bundeswehr erreicht wird. Damit wäre es nicht mehr nötig, dass der Spannungs- oder Konfliktfall ausgerufen wird, sondern eine Einschätzung der verteidigungspolitischen Lage würde künftig für eine verpflichtende Einziehung junge Männer zum Dienst ausreichen.
Falls der Bundestag beschließen sollte, dass der Wehrdienst verpflichtend würde, bräuchte es für die Kriegsdienstverweigerer einen Ersatzdienst außerhalb der Bundeswehr, wie er im Gesetzentwurf bereits benannt ist. Da ein möglicher Ersatzdienst – sei es nun ein reaktivierter “alter Zivildienst” oder ein neues Format – von den zivilgesellschaftlichen Strukturen maßgeblich umgesetzt werden müsste und unabhängig davon Auswirkungen auf die etablierten Freiwilligendienstformate haben würde, sind aus Sicht des BAK FSJ folgende Aspekte zu berücksichtigen:
Nicht ungeprüft den alten Zivildienst wieder einsetzen
Es sollte eine kritische Auswertung der Erfahrungen des alten Zivildienstes stattfinden: Wer wurde mit dem Format erreicht? Welche Erfahrungen haben die Zivildienstleistenden gemacht? Wie bewerten die Personen, die die Zivis damals praktisch begleitet haben, das Format im Rückblick? Was war sinnvoll und gewinnbringend für die Zivis, die Menschen in den Einrichtungen und die Gesellschaft als Ganzes? Was war nicht positiv und sollte deswegen künftig nicht wieder so umgesetzt werden?
Den Mehrwert aus den etablierten Freiwilligendiensten berücksichtigen
Schon parallel zum Zivildienst gab es das Freiwillige Soziale Jahr und das Freiwillige Ökologische Jahr und mit Aussetzen der Wehrpflicht und des Zivildienstes 2011 wurde der Bundesfreiwilligendienst eingeführt. Dabei handelt es sich um etablierte Bildungs- und Orientierungsangebote, in denen die Freiwilligen im Zentrum stehen. Diese Formate sind offen für alle unabhängig von Geschlecht, Nationalität, körperlichen Voraussetzungen oder Gesundheit und unterscheiden sich damit zentral vom neuen Wehrdienst sowie einem möglichen Ersatzdienst. Die pädagogische Begleitung ist der Kern dieser Formate und stellt sicher, dass dieses zeitintensive, rechtsverbindliche freiwillige Engagement ein Gewinn hoch drei ist: für die Freiwilligen, die Menschen in den Einrichtungen und die Gesellschaft als Ganzes.
Die positiven Aspekte aus den Freiwilligendiensten sind unbedingt zu würdigen und bei der Ausgestaltung eines möglichen Ersatzdienstes mit einzubeziehen.
Von 2002 bis 2011 gab es im Zivildienstgesetz (§14c) die Möglichkeit, einen Freiwilligendienst anstelle des Zivildienstes zu leisten. In der Ausgestaltung eines Ersatzdienstes wäre zu prüfen, inwieweit Freiwilligendienste generell und im Idealfall präventiv die Ersatzdienstfunktion übernehmen können.
Negative Effekte auf etablierte Freiwilligendienste und junges Engagement insgesamt vermeiden
Sollte ein Ersatzdienst eingeführt werden und damit sowohl a) ein zusätzliches Dienstformat als auch b) eine grundsätzliche Pflichtkomponente und damit auch verpflichtete junge Menschen in die Einrichtungen bringen, wird dies in vielfältiger Weise Einfluss auf die bisherigen Freiwilligendienste und die Engagementstrukturen haben.
Es ist dafür Sorge zu tragen, dass es keine negativen Effekte gibt wie z.B.
- die Verdrängung von jungen Frauen, Menschen ausländischer Staatsangehörigkeit, lebensälteren Freiwilligen im BFD oder von ausgemusterten jungen Männern, da Plätze für die Zivildienstleistenden vorgehalten werden müssen,
- eine empfundene Ungerechtigkeit, da die Bezahlung und die sonstigen Rahmenbedingungen sich zwischen den einzelnen Diensten unterscheiden,
- eine Verdrängung oder Entwertung von Engagement außerhalb von Freiwilligendiensten oder
- eine Entwertung von sozialen Arbeitsfeldern, da die öffentliche Wahrnehmung ist, dass sich dafür nicht genug Auszubildende und sonstige Arbeitnehmer*innen finden und Zivildienstleistende hier kompensieren müssen.
Ein Teil dieser potenziellen Negativ-Effekte kann durch die Umsetzung der drei Forderungen der Vision2030 abgefedert werden:
- Das Recht auf einen bedarfsgerecht ausgestalteten, nachhaltig finanzierten Dienst. Alle (jungen) Menschen sind eingeladen, einen Dienst zu leisten. Hierbei gilt: Wo eine Vereinbarung abgeschlossen wird, erfolgt eine finanzielle staatliche Förderung.
- Ein existenzsicherndes Freiwilligengeld, damit die Ableistung eines Dienstes unabhängig von den individuellen finanziellen Ressourcen für alle möglich ist.
- Die Einladung ALLER jungen Menschen seitens des Staates und eine anschließende Beratung zu den Engagementmöglichkeiten. Denn Studien belegen, dass die meisten Menschen zu wenig über die unterschiedlichen Möglichkeiten sich gesellschaftlich zu engagieren wissen.
Der Bund kann für alle Freiwilligendienste eine gesetzliche Grundlage für den Rechtsanspruch auf Förderung eines Freiwilligendienst schaffen – einschließlich der Finanzierung eines existenzsichernden Freiwilligengeldes. Dies belegte unlängst ein juristisches Gutachten der Bertelsmann Stiftung.
Die entsprechenden Strukturen und Akteur*innen in die Planung und Umsetzung einbinden
Bei den Überlegungen zu einer möglichen Wiedereinsetzung eines Ersatzdienstes sind die zivilgesellschaftlichen Akteure unbedingt mit einzubeziehen. Sie haben die Expertise, wie ein Ersatzdienst bestmöglich ausgestaltet werden kann und wie sich negative Effekte vermeiden lassen.
Der Bundesarbeitskreis FSJ sowie die Zentralstellen in allen Freiwilligendienstformaten müssen daher als Expert*innen einbezogen und gehört werden, wenn ein möglicher Ersatzdienst diskutiert und konzipiert wird.
Reaktionen aus den Verbänden:
Augsburger Allgemeine: Wehrpflicht – Wie ein Recht auf Freiwilligendienst der Truppe helfen soll (22.07.2025)
Deutsche Sportjugend: „Den Rechtsanspruch auf einen Freiwilligendienst mitdenken!“ (10.07.2025)
Deutscher Caritasverband: Caritas bemängelt geplante Solderhöhung für Wehrdienstleistende (10.07.2025)
Deutscher Caritasverband: Wehrdienst nicht gegen zivile Freiwilligendienste ausspielen (10.07.2025)
Deutscher Caritasverband: „Herr Pistorius vergisst die zivilen Freiwilligendienste“: Caritas-Präsidentin kritisiert einseitige Wehrdienst-Pläne (11.07.2025)
Deutscher Caritasverband: Caritasverband fühlt sich bei Wehrdienst-Änderung übergangen: Freiwilligendienste nicht vergessen (11.07.2025)
Deutscher Caritasverband: Sicherheit durch freiwillige Dienste stärken – in Uniform und zivil (13.07.2025)
Bund der Deutschen katholischen Jugend: Gesetzesentwurf zum Wehrdienst: Ist die Freiwilligkeit ernst gemeint? (15.07.2025)

